Klaus Endress

Beitragsbild: Endress+Hauser

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Klaus Endress wurde 1948 geboren und hat ein Studium als Diplom-Wirtschaftsingenieur an der Technischen Universität Berlin absolviert. Nach Tätigkeiten für verschiedene US-Firmen trat er 1980 ins väterliche Unternehmen ein, dessen Leitung er 1995 übernahm. Als CEO prägte Klaus Endress über fast zwei Jahrzehnte die Entwicklung der Endress+Hauser Gruppe – die Ausrichtung auf Branchen, der Aufbau eines globalen IT- und Produktionsnetzwerkes sowie der Ausbau des internationalen Vertriebs tragen seine Handschrift. 2014 übergab er das operative Geschäft an Matthias Altendorf und wechselte als Präsident in den Verwaltungsrat.

Herr Endress, warum haben Sie Wirtschaftsingenieurwesen studiert?
Weil das Studium die technischen Fächer mit den Themen der Ökonomie verbindet. Unsere Welt besteht nicht allein aus Technologie oder aus Zahlen… Man muss beides in genügender Tiefe kennen, um das Ganze zu verstehen. Alles hängt mit allem zusammen!

Welche Skills, die Sie im Studium erlernt haben, waren für Ihren Werdegang besonders wichtig?
Fertigungstechnik und Informatik waren sehr wichtig für meine spätere Tätigkeit – auch Elektrotechnik, obwohl ich das Fach nie geliebt habe. Geld- und Außenwirtschaft haben mir geholfen, ein gutes Verständnis der finanziellen Zusammenhänge zu bekommen. Aber vor allem das Wissen aus den Bereichen Fertigungstechnik und Informatik, auch über Prozesse und Logistik, konnte ich gut anwenden in unserem Unternehmen. Auf diesen Gebieten waren wir damals noch nicht stark. In meiner Diplomarbeit habe ich mich mit den Interdependenzen der kundenspezifischen Einzelfertigung befasst – ein sehr komplexes Thema, das ich von der Bestellung bis zur Lieferung durchdrungen habe. Die IT war zu dieser Zeit, Ende der 70er Jahre, noch gar nicht leistungsfähig genug, um das alles abzubilden. Aber heute haben wir Prinzipien wie One-Piece-Flow fest in unseren Produktionen verankert. Dafür habe ich mit meiner Arbeit gewissermaßen die Grundlage gelegt.

Welche Bedeutung hat für Sie als Wirtschaftsingenieur der Faktor Interdisziplinarität?
Die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszusehen, hat mir immer enorm geholfen. Als Unternehmer muss man immer wieder Entscheidungen treffen, ohne wirklich Ahnung von einem Thema zu haben. Dann muss man auf das Wissen und die Einschätzung von anderen vertrauen. Deshalb: Je breiter man aufgestellt ist, desto besser – und das Studium des Wirtschaftsingenieurwesens vermittelt genau dieses breite Fundament. Auf einer solchen Grundlage kann man Entscheidungen mit größerer Sicherheit treffen. Deshalb würde ich jederzeit wieder Wirtschaftsingenieurwesen studieren!

Sind aus Ihrer Sicht Absolventen und Professionals mit einem weiten Horizont momentan besonders gefragt?
Wirtschaftsingenieure werden immer gefragt sein – eben weil es auf Leitungsebene den interdisziplinären Blick braucht; Menschen, die sehen, was links und rechts passiert, die erkennen, was kommt und wichtig wird. Wichtig ist, dass die Absolventinnen und Absolventen in allen Themen auch genügend Tiefe haben.

Stichwort weiter Horizont: Welches Thema jenseits des eigenen Geschäftsfeldes verfolgt Ihr Unternehmen gerade mit besonderer Aufmerksamkeit?
Unser Unternehmen ist in der Mess- und Automatisierungstechnik zu Hause. Traditionell sind unsere Geräte in großen verfahrenstechnischen Anlagen installiert. Über die vergangenen Jahre haben wir uns beispielsweise stark mit der Biotechnologie befasst. Immer mehr Produkte werden biotechnologisch hergestellt. Dort sind die Verfahren, die Herstellungsbedingungen ganz andere, auch die Mengen… Denken Sie nur an personalisierte Medizin. Deshalb wollten wir wissen, was in diesem Bereich wichtig ist, was und wie es gemessen wird. Unsere strategische Ausrichtung auf moderne Analyseverfahren ist eine Konsequenz hieraus, ebenso der Schritt in den Markt für Labormesstechnik. Ein anderer Bereich ist natürlich die Digitalisierung. Hier erkunden wir beispielsweise die Möglichkeiten der Kundennähe auf digitalen Plattformen mit einem Start-up in Berlin.

Von welcher technischen und/oder gesellschaftlichen Entwicklung erwarten Sie in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein die Zukunft besonders prägendes Potenzial?
Ganz eindeutig durch die Digitalisierung. Es wird dadurch zu einer völligen Veränderung des Dienstleistungssektors kommen. Dieser Prozess ist schon seit Jahren im Gange. Denken Sie nur an die Art, wie wir heute Bankgeschäfte erledigen oder Reisen buchen… Das hat sich in nur zehn Jahren komplett verändert! Diese Entwicklung wird weitergehen. Sie wird alle Dienstleistungen erfassen, die nicht direkt an Kunden erbracht werden. Diese Umwälzungen werden ähnlich gravierend sein wie durch die erste industrielle Revolution!

 

In den Sommerinterviews befragt der VWI in loser Folge Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsingenieurinnen, die wichtige Positionen in Industrie und Lehre innehaben, zu ihrem Blick auf das Berufsbild.

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